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Angesichts der anhaltenden Kämpfe im Sudan, zeigen die Kuratorin*innen Larissa-Diana Fuhrmann und Rahiem Shadad Arbeiten sudanesischer Künstler*innen bei Mouches Volantes. Die Ausstellung lenkt mehr Aufmerksamkeit auf die momentane Lage im Land, setzt ein Zeichen der Solidarität und unterstützt somit lokale Künstler*innen, die sich im Exil oder noch vor Ort befinden. Dieses Projekt entsteht in Kooperation mit der Khartoum Downtown Gallery, dem Goethe-Institut Sudan, dem Goethe-Institut im Exil und dem Goethe-Institut Bonn.
Ein kollektives Trauma kann unglaublich mächtig sein in seiner Fähigkeit, Perspektiven zu verändern und eine Gemeinschaft zu beeinflussen. Die Zeiten der sudanesischen Geschichte zeugen von einer Flut radikaler Erfahrungen, die sie fleckig und rissig erscheinen lassen. Mit jeder neuen Generation scheint sich eine neue Abfolge von Ereignissen zu entfalten.
Die Sandstürme, die lokal als „Haboob“ bekannt sind, ziehen vom Nordosten in den Südwesten und durchqueren das weite Land, das den Nil umgibt und von zwei Gewässern eingerahmt wird. Die Erde des Sudan haucht dieser fruchtbaren Landschaft Leben ein und macht sie zu einer der größten landwirtschaftlichen Regionen der Welt. Es ist ein Land, das gleichzeitig reich und arm ist.
Das Wort „Nubien“ bedeutet „Gold“, dieses wird im Sudan mit Vitalität assoziiert. Es symbolisiert Wert, war jedoch schon immer eine Projektionsfläche für Erinnerungen und Geschichtenerzählungen. Während des Königreichs von Kusch wurde Gold neben Königen und Königinnen begraben, um Reichtum und ihr Erbe zu würdigen. Heutzutage schenken Ehemänner ihren Ehefrauen Gold, das über Generationen hinweg durch Frauen weitergegeben wird, um die Familiengeschichte und ihre Identität zu bewahren. Gold wurde nie in seiner bloßen Quantität betrachtet, sondern vielmehr als ein hoch aufgeladenes Symbol. Wenn heute gesagt wird, dass eine Frau „ihr Gold verkauft“ hat, bedeutet dies, dass ihr Leben einen Tiefpunkt erreicht hat. In dieser Familie herrscht großes Unglück. Gleichzeitig wird von einem Mann erwartet, dass er seine Frau niemals auffordert, ihr Gold zu verkaufen.
Jetzt findet sich ein kollektives Narrativ in der Erwähnung des Golds, eines, das Schauer hervorruft, wenn davon gesprochen wird. „Wir haben alle unser Gold verkauft“. Am 15. April 2023 erreichte der Sudan seinen Tiefpunkt. Eine Nation hatte ihr Gold aufgegeben. Die Kämpfe zwischen den sudanesischen Streitkräften und den durch Gold finanzierten Rapid Support Forces (RSF) verwüstet das Land und legt die Stadt Khartum in Schutt und Asche. Der Konflikt zeigt erneut, wie wichtig es ist, demokratische Ansätze zu fördern, wie sie im Sudan seit der Revolution begonnen haben, aktiv zu sein.
Die präsentierten Werke laden dazu ein, verschiedene Perspektiven der Resilienz – des Aushaltens, des Durchhaltens, des Widerstands – inmitten dieses Schocks zu erleben. Sie veranschaulichen die unterschiedlichen mentalen Erfahrungen vor und während den militärischen Auseinandersetzungen. Die Ausstellung soll zum Nachdenken über das tiefe Gefühl des Neuanfangs anregen, das von den durch den Konflikt Vertriebenen erlebt wird. Sie vermenschlicht Statistiken und verwandelt sie in greifbare Erfahrungen, die durch Zeit und Objekte festgehalten werden. Wir würdigen die mutigen Künstler*innen und Kreativen, die sich geweigert haben, zum Schweigen gebracht zu werden.
Diese Ausstellung in den Räumlichkeiten der Galerie Mouches Volantes, soll einem bereits langsam einsetzenden Desinteresse des globalen Nordens an diesem Krieg und dem inneliegenden strukturellem Rassismus (gegenüber BIPoC, Muslim*innen, Menschen Subsahara-Afrikas) entgegengesetzt werden und existierende Vorurteile gegenüber Afrikaner*innen abbauen. Die Ausstellung zeigt teilweise Werke, die ihren Weg über Ägypten oder anderen (Flucht-)Routen nach Deutschland fanden und ist die Erste in Europa seit Beginn der neuerlichen Kämpfe und lenkt als solche die Aufmerksamkeit auf die Lage im Sudan.
english
In light of the ongoing struggles in Sudan, curators Larissa-Diana Fuhrmann and Rahiem Shadad are showing works by Sudanese artists at Mouches Volantes.
The exhibition draws more attention to the current situation in the country, sets a sign of solidarity and thus supports local artists who are in exile or still on the ground. This project is realized in cooperation with the Khartoum Downtown Gallery, the Goethe-Institut Sudan, the Goethe-Institut in Exile and the Goethe-Institut Bonn.
Collective trauma can be incredibly powerful in its ability to change perspectives and influence a community. Sudan's history is marked by a series of radical experiences that have left it fragmented and fractured. With each new generation, a new sequence of events seems to unfold.
The sandstorms, locally known as "Haboob," sweep from the northeast to the southwest, traversing the vast land surrounded by the Nile and framed by two bodies of water. The earth of Sudan breathes life into this fertile landscape, making it one of the world's largest agricultural regions. It is a country that is simultaneously rich and poor.
The word "Nubia" means "gold" and is associated with vitality in Sudan. It symbolizes value but has always been a canvas for memories and storytelling. During the Kingdom of Kush, gold was buried alongside kings and queens to honor their wealth and heritage. Nowadays, husbands gift gold to their wives, which is passed down through generations of women to preserve family history and identity. Gold has never been regarded solely in terms of quantity but rather as a highly charged symbol. When it is said that a woman has "sold her gold" today, it means that her life has reached a low point. Great misfortune reigns in this family. At the same time, a man is expected never to ask his wife to sell her gold.
Now, a collective narrative emerges from the mention of gold, one that evokes chills when spoken of. "We have all sold our gold." On April 15, 2023, Sudan reached its lowest point. A nation had given up its gold. The fighting between the Sudanese Armed Forces and the Rapid Support Forces (RSF) funded by gold devastated the country, reducing the city of Khartoum to rubble. The conflict once again highlights the importance of promoting democratic approaches, as they have been active in Sudan since the revolution began.
The presented works invite us to experience different perspectives of resilience, endurance, and resistance amid this shock. They illustrate the diverse mental experiences before and during the military confrontations. The exhibition aims to provoke reflection on the deep sense of new beginnings experienced by those displaced by the conflict. It humanizes statistics and transforms them into tangible experiences captured through time and objects. We honor the courageous artists and creatives who have refused to be silenced.
This exhibition, hosted by the Galerie Mouches Volantes, aims to counteract a growing disinterest in the global North regarding this war and the underlying structural racism (towards BIPoC, Muslims, people from Sub-Saharan Africa) and dismantle existing biases against Africans. The exhibition features artworks, some of which found their way to Germany through Egypt or other (escape) routes, and is the first in Europe since the recent conflicts began, thereby drawing attention to the situation in Sudan.
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